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Hämlismatt: Was sucht der Feuerwehrhelm im Spycher?

Von weitem sichtbar steht der historische Abraham-Spycher bei Arni am Strassenrand. Der Holzspeicher von 1732, der Ende letztes Jahr seinen neuen Standort in der Hämlismatt gefunden hat, steht ab Mai für Publikum bereit. Spycher-Besitzer Erich Moser freut sich, Interessierte durch die Ausstellung zu führen. Zu sehen ist ein gesammeltes Stück Zeitgeschichte aus der Region.

Erich Moser erzählt die Geschichte um den alten Feuerwehrhelm... (Foto: cw)
... und präsentiert viele historische Sammelstücke. (Foto: cw)
Vor dem Abraham-Spycher: Ein grosses Projekt hat seinen Platz gefunden. (Foto: cw)
Spannende Zeitzeugen: Waren aus dem alten Kolonialwarenladen. (Foto: cw)

Proper sieht er aus, der zweistöckige Abraham-Spycher in der Hämlismatt: Ein fensterloser Blockbau aus Fichten mit hübsch ausgesägten Verzierungen, die frischen Holzteile leuchten in der Sonne. Dieser Tage werkeln noch die Elektriker und gehen eifrig ein und aus, danach ist alles bereit und Erich Moser kann auf die Eröffnung dieses kleinen, feinen Museums anstossen. Er freut sich: Damit hat nach Jahren sein grosses Projekt zu einem Ganzen zusammengefunden.

 

Zeitgeschichte und persönliche Sammlung

Er steigt die kleine Treppe hoch, bückt sich unter der Tür durch und betritt den unteren Stock. Der Raum ist nicht gross, aber es finden erstaunlich viele Sammelstücke Platz darin. Moser deutet an die rechte Wand: Auf einem grossen Porträt an der Wand sein Vorfahr, Jost Moser, Freiweibel von Biglen, ein Gemälde aus dem 17. Jahrhundert. Darunter eine riesige Truhe, eine von insgesamt drei Truhen aus drei Jahrhunderten, allesamt aus dem Familienbesitz – die hübscheste mit aufgemalten Rosen stand seinerzeit noch bei Erich Mosers Grossmutter im Zimmer.

 

Was er da auf zwei Stöcken zusammengetragen hat, ist nicht nur ein spannendes Stück Zeitgeschichte, sondern eine ausgesprochen persönliche Sammlung: Getreidesäcke, Kaffee, Tabak, Seife und Petrol aus dem alten Kolonialwarengeschäft, eine Fotokamera und zahlreiche Schwarzweiss-Fotobücher – Erinnerungsstücke von drei Familiensträngen haben im Spycher zusammengefunden. Allesamt Gegenstände von Vorfahren, die näher oder ferner mit Erich Moser verwandt sind.

 

Schon als Schulbub las er Karl Grunder-Bücher

Der bekannteste unter ihnen: Karl Grunder, der Mundartdichter, dessen Lieder noch heute allen Sänger:innen von Jodelchören bekannt sind. «Grunders Mutter war die Schwester meiner Ururgrossmutter», erklärt Moser seine Verbindungslinie, Grunder also deren Neffe. In einem der Bücher steht noch eine Widmung zur Hochzeit von Erich Mosers Eltern, daneben liegt das Gratulationskärtchen zu seiner Geburt. Persönlich signiert: Karl Grunder.

 

Kein Wunder also, dass Moser sich als Sekretär des Karl-Grunder-Vereins dafür einsetzt, dass Grunders kulturelles Erbe nicht verlorengeht. Zu eng fühlt er sich mit dem Schriftsteller verbunden: Schon als Bub hätten ihm die Eltern Grunder-Geschichten vorgelesen, erzählt Moser, später als Schulbub habe er sie dann ebenso gerne selbst gelesen.

 

Die Geschichte mit dem Feuerwehrhelm

Seine Augen leuchten noch heute, wenn er Anekdoten über den Autor erzählt. Beispielsweise, wie dieser als Primarlehrer mit seiner Schulklasse aufs Rütli wandern wollte, aber das Wetter unsicher war. «Ich blase das Horn, wenn es schön genug ist, dass wir gehen», habe Lehrer Grunder seinen Schulkindern verkündet.

 

Moser tritt zu einem Gestell, dann lacht er leise und erzählt weiter: Als anderntags die Sonne schien, habe Grunder laut und kraftvoll das Horn geblasen. «Und die Schulkinder waren rasch zur Stelle. Aber eben nicht nur sie, sondern auch die einsatzbereite Feuerwehr in Vollmontur.» Das Horn hatte sie alarmiert, prompt rückten sie aus. Sorgfältig hebt Erich Moser einen glänzenden alten Feuerwehrhelm aus dem Gestell und zeigt ihn von allen Seiten: Auch das ein prachtvoller Zeitzeuge, und eine Erinnerung an den lustigen Vorfall.

 

Viel gelesen, viel gesammelt, viel investiert

Lange hat Moser gearbeitet, bis er sein Werk beisammen hatte, viel gelesen, viel gesammelt, viel investiert. Die Hälfte an die Spycher-Renovierung zahlte der Denkmalschutz, den Rest übernahm er privat. «Eine Herzensangelegenheit, kein Investitionsobjekt», sagt er ganz klar. Er wird auch keine teuren Eintrittsgelder verlangen, sondern Interessierten den Spycher einfach so zeigen. «Es rentiert nicht, aber es lohnt sich», sagt er scherzhaft über sein Werk.

 

Den ganzen letzten Sommer hindurch hatten die Schreiner:innen von Terra Vecchia den Spycher in der Werkstatt stockweise zusammengesetzt und alle verfaulten Stellen ersetzt. Anschliessend bauten sie Stock um Stock in der Werkstatt wieder ab – und in der Hämlismatt erneut auf. 14 Fichten liess Erich Moser in seinem Waldstück fällen, um die verfaulten Teile zu ersetzen. Den ganzen Werdegang hat er in einem Zeitraffer festgehalten.

 

Wirtshausszenerie aus dem Rössli

Schon seit Jahren hatte er angefangen, überall Sammelstücke zusammenzutragen. «Nicht zuletzt der Estrich des Rössli war ein wunderbarer Fundus», erzählt er. Der Gasthof Rössli ist ebenfalls mit seiner Familiengeschichte verbunden, Mosers Eltern hatten es in dritter Generation übernommen und führten es von 1955 bis 1980. Im oberen Stock des Spychers sind daher zahlreiche Erinnerungsstücke zu einer ganzen Wirtshausszenerie zusammengestellt.

 

Moser selbst hatte es als jungen Küchenchef nach Bern verschlagen, er kochte im Schweizerhof, im Du Theâtre und im Bellevue-Palace, und kehrte von der Stadt nicht mehr in die Rössli-Tradition zurück. Aber er blieb eng mit der Gegend verbunden. «Als Moser von Biglen» sei er «diesem Schloss und dem ganzen Spycher seine Rettung schuldig», schrieb er in den Dorfnachrichten Arni.

 

Ein Ort für Geschichte und Geschichten

Jetzt ist der Spycher an seinem neuen Standort angekommen und steht für Gäste bereit, die sich für Geschichte – und für allerlei Geschichten – interessieren. Und Erich Moser wird wohl noch das eine oder andere Mal schmunzelnd Anekdoten von Feuerwehrhelmen und anderen Erlebnissen erzählen.

 

[i] Abraham-Spycher. Öffnungszeiten wie Arni-Bröckli: Jeden Donnerstag und Freitag 14.00 bis 18.00 Uhr und jeden ersten und zweiten Samstag im Monat 10.00 bis 16.00 Uhr. Für Besuchsanfragen: Erich Moser | Brunnenweg 1 | 3508 Arni, Telefon 031 701 06 18


Autor:in
Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch
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Erstellt: 05.05.2024
Geändert: 05.05.2024
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